Ein Seminar mit Dr. Esther Schalke und Polizeihauptkommissar Hans Ebbers.
Eine der Hundesportarten, die beim GHSV Ahrensburg nicht ausgeübt werden, ist der Vielseitigkeitssport, kurz VPG genannt. Er ist eine sehr anspruchsvolle Disziplin, die aus dem Fährten, einer etwa mit dem Obedience vergleichbaren Unterordnung und dem Schutzdienst besteht. Im Schutzdienst muss das Team zeigen, dass es einen "Täter" findet, ihn an der Flucht hindert und letztlich dann auch abführt. Während diesen Übungen muss (darf?) der Hund den "Täter" auch in den Sportarm (das ist eine Art Riesenbeißwurst, die über den Arm gezogen wird) beißen und erst loslassen, wenn es vom Hundeführer signalisiert wird. In kaum einer anderen Hundesportart müssen Hunde noch in so hohem Erregungszustand ansprechbar sein, wie während des Schutzdienstes.
Gerade die Abteilung "C", der Schutzdienst, ist es jedoch, die dazu führt, dass der Vielseitigkeitssport oft kritisch betrachtet wird. Einerseits ist es für den gewöhnlichen hundesportinteressierten Menschen heutzutage nicht mehr üblich, sich auf eine Art mit dem Hund zu beschäftigen, die eigentlich nur für die Polizei oder Wachdienste von Interesse ist. Auch das etwas zu stramme militärische und polizeiliche Erscheinungsbild ist in unserer zivilen Gesellschaft nicht mehr sehr attraktiv und viele fragen sich, warum Hunde im Hobby Sport lernen sollten, Menschen zu beißen (auch wenn es - richtig ausgebildet - nur um den Sportarm geht). Aber der vielleicht wichtigste Kritikpunkt ist jedoch, dass der Vielseitigkeitssport in dem Ruf steht, nicht immer hundefreundlich und artgerecht mit den Hunden umzugehen und oft werden mit ihm Bilder von Elektoreizgeräten (inzwischen verboten) und Stachelhalsbändern assoziiert.
Am Wochenende (25./26. Juni) waren Nancy und ich in Timmerndorfer Strand bei einem Seminar "Lernen und Motivion im Hundesport", wobei mit Hundesport in erster Linie der Vielseitigkeitssport gemeint war. Die Referenten waren Dr. Esther Schalke und Polizeihauptkommissar Hans Ebbers. Das Motto ihres Lehrgangs war "Auf neuen Wegen zu alten Zielen" und beide zeigten sich hochkompetent in ihren Fachgebieten. Esther Schalke referierte zunächst über die unterschiedlichen Arten des Lernens und zeigte jeweils auf, welche Lernform wie im Training eingesetzt werden kann. Hans Ebbers komplettierte den Vortrag um den Bereich Motivation und Trainingsaufbau. Unterstützt wurden die wichtigsten Aussagen durch Videos von Hunden aus den Forschungsprojekten an der Tierhochschule Hannover und von Videos aus dem Training von (Dienst-) Hunden.
Esther beschreibt das Ausdrucksverhalten eines Hundes |
Esther legte einen großen Schwerpunkt auf das Erkennen von ungeplanten Lernprozessen, die den Hundeführer glauben machen könnten, dass sein Hund einen "Fehler" gemacht habe, wobei in Wahrheit lediglich durch den Trainingsprozess unerwünschte und unerkannte sekundäre Bestärker ihre Wirkung taten. Ihre wiederkehrende Aussage war, dass man in solchen Momenten kein Recht habe, den Hund zu strafen. Überhaupt sei im Training zu vermeiden, dass die Hunde in eine Situation geraten, die ihnen durch emotionale Belastungen das Lernen unmöglich machen (Noradrenalin).Sie machte darauf aufmerksam, wie Emotionen im Training eine Rolle spielen, welche positiven Folgen, aber auch welche Risiken ein Training birgt, dass mit intensiven Gefühlen einhergeht. Die Hundeführer müssen ein feines Gespür für ihre Hunde und eine genaue Kenntnis deren Ausdrucksverhaltens haben, um optimale Lernerfolge zu erzielen.
Hans kommentiert ein Team im Schutzdienst |
Hans ging dann auf den Trainingsaufbau ein. Auch ihm war sehr wichtig zu zeigen, welche Emotionen eine Rolle spielen und welche Risiken bestehen, wenn im Sport mit den "falschen" Emotionen (defensive und offensive Aggression) gearbeitet wird. Er plädierte sehr dafür, die Grundausbildung (und mehr) der Hunde komplett über Futter- und Beutemotivaion (Spielzeug) zu machen, da so am besten dem Hund Sicherheit und Schnelligkeit vermittelt werden kann und zudem die Lernfähigkeit des Hundes erhalten bleibt, bei hohen Bestärkerraten (Futter). Die von ihm erwähnten Nachteile einer Ausbildung in dieser Motivationslage der Hunde, sind zum Glück für uns beim GHSV Ahrensburg nicht so wichtig, da wir keine Diensthunde ausbilden. Aus dem gleichen Grund sind für uns die Motivationsbereiche der Aggression nicht relevant für das Training, wobei es aber trotzdem wichtig ist zu erkennen, wann ein Hund im Training in einen Konflikt gerät. Der Konflikt kann ja auch aus ganz anderen Gründen entstehen und da ist es sehr wichtig, die Anzeichen zu erkennen und reagieren zu können, um dem Hund wieder ein Lernen zu ermöglichen.
Sowohl Esther, wie auch Hans plädierten sehr für den Einsatz von sekundären Bestärkern in der Ausbildung und demonstrierten mit welcher Effizienz der Klicker eingesetzt werden kann. Spannend war dabei, dass der Klicker nicht nur für die Unterordnung wichtig ist, sondern Hans zeigte ein komplettes Programm, mit dem die Grundlagen für den Schutzdienst gelegt werden können, welches mit dem Klicker erarbeitet werden kann. In diesem Programm waren viele Elemente, die auch für unsere Ausbildung nützlich sind und die wir auch teilweise schon so praktizieren, wenn auch in abgewandleter Form, da wir ja keinen Schutzdienst machen. Am meisten hat mich der konsequente Einsatz der "externen Belohnung" beeindruckt. Dabei lernt der Hund erst nach einem Freigabesignal zu seiner irgendwo abgelegten Bestätigung (Ball, Futter) zu laufen. Auf die Art lernt der Hund mit hoher Motivation und Selbstbeherrschung (Impulskontrolle) eine Aufgabe zu erfüllen.
An beiden Tagen wurden auch praktische Übungen durchgeführt. Am Samstag bestanden diese im wesentlichen aus diversen Konditionierungen des Klickers. Man konnte erkennen, dass viele Hunde auf dem Platz gehemmt waren und auch den Hundeführen gelang es nicht immer auf Anhieb sich aus den gewohnten Trainingsmustern zu lösen. Esther lieferte gelungene Beschreibungen des Ausdrucksverhalten der Hunde und es wurde für die Zuschauer verständlich, welche Emotionen die Hunde bewegten. Hans, als erfahrener Klickerer, half den Sportlern über diverse Hürden hinweg, so dass alle Teams zu einem Erfolg kommen konnten. Der praktische Teil am Sonntag bestand aus Demonstrationen des Einsatzes des Klickers im Schutzdienst und Hans konnte zeigen, wie wichtig es ist, die Konflikte des Hundes zu erkennen, um rechtzeitig "Gas herauszunehmen", damit der Hund immer noch lernfähig bleiben kann.
Für mich war das Seminar ein Erfolg. In vielen Dingen wurde von kompetenter Seite bestätigt, dass das, was wir beim GHSV machen, sich mit dem deckt, was Stand der Trainingslehre ist. Darüber hinaus habe ich auch Ideen für das Training mitgenommen, wie z.B. die "externe Belohnung". Insofern war dieses Seminar gelungen und wichtig! Was die in den Eingangsparagraphen erwähnten Bedenken gegen den Vielseitigkeitssport angeht, so habe ich das Seminar mit sehr gemischten Gefühlen verlassen. Einerseits hat Hans überzeugend (für mich als Laie) gezeigt, wie ein konfliktfreier Aufbau der Schutzdienst für den Hundesport möglich ist, andererseits waren einige der Hunde der Seminarteilnehmer mit einem Stachelhalsband bestückt und niemand (auch nicht die Referenten) verloren darüber ein Wort.
Neben Esther und Hans geht mein Dank natürlich auch Udo Meier, der mit seinem Team von der HSG Timmendorfer Strand eine perfekte Organisation hingelegt hat. Das habt Ihr Klasse gemacht!
Euer Marco
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